Was ist wo weshalb – und was geht’s mich an?
Erdkunde ist schon längst nicht mehr das Schulfach, das der Frage nachgeht: Was ist wo? In Erdkunde fragen wir vielmehr: Was ist wo weshalb? Wie ist es dazu gekommen? Was sind die Folgen? Wie kann man es gestalten?
Dabei kann es um steigende oder sinkende Einwohnerzahlen bestimmter Regionen gehen, um Wanderungsbewegungen, um wachsende und schrumpfende Städte, um Veränderungen im tropischen Regenwald und auf Grönland, um die Nutzung und Gefährdung der Meere, um Ursachen und Folgen der Erderwärmung, um Quell- und Zielgebiete von Urlaubsreisenden, um Gewinner und Verlierer der Globalisierung, um die Verfügbarkeit von Ressourcen und um die Frage: Was bedeutet das für mich?
Denn: Viele Vorgänge, die sich in weit entfernten Gegenden abspielen, haben auch etwas mit uns und unserem Alltag zu tun! Wo kommt eigentlich die Baumwolle für meine Jeans her und in wie vielen Ländern war meine Hose, bevor sie in meinem Schrank landete? Welche Rohstoffe stecken in meinem Smartphone und unter welchen Bedingungen wurden sie gefördert? Trage ich eigentlich auch zur Erderwärmung bei und wie kann ich das messen und begrenzen?
Erdkunde ist ein Zukunftsfach
Erdkunde oder Geographie – so heißt das Fach in vielen Bundesländern und die Wissenschaft dahinter – richtet ihren Blick also auf die Entstehung bestimmter Anordnungen, Nutzungsformen und Vorgänge im Raum. Das kann der eigene Wohnort sein oder eine eit entfernte Region in den Tropen. Wir untersuchen lokale, regionale und globale Zusammenhänge und werfen dabei einen Blick in die Zukunft: Wie können wir die Welt von heute gestalten, damit sie morgen ein besserer Ort wird? Dazu werten wir vielfältige Materialien aus – Karten, Tabellen, Diagramme, Texte, Filme – und bilden uns auf dieser Grundlage eine persönliche Meinung und ein kritisches Urteil. Das ist nötig, weil die Erde sich immer weiter dreht – wie hier auf dieser Seite! – und sich dabei ständig verändert. Unser Ziel heißt deshalb: das eigene Leben und die Welt um uns herum sinnvoll und nachhaltig zu gestalten und „raumverantwortlich“ zu handeln.
GIF links: Urheber: NASA Goddard Space Flight CenterImage by Reto Stöckli (land surface, shallow water, clouds)Enhancements by Robert Simmon (ocean color, compositing, 3D globes, animation)(conversion to gif Jahobr), Public domain, via Wikimedia Commons
URL Seite: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rotating_earth_animated_transparent.gif
Verschiedene Blicke auf die Welt
In unserem Erdkundeunterricht betrachten wir die Welt mit „geographischen Brillen“. Davon gibt es mehrere. Die größte heißt: Mensch-Umwelt-System. Die Untersuchung der Wechselwirkungen von menschlichem Handeln und unseren natürlichen Grundlagen ist ein übergeordneter Inhalt und wesentlicher Kern unseres Unterrichts. Wichtig ist dabei auch die Frage, wie man eine nachhaltige Entwicklung erreichen kann. Das heißt: Wie können wir heute so leben, dass wir das Leben künftiger Generationen nicht einschränken? Diese Nachhaltigkeit ist eine weitere „Brille“. Es gibt noch ein paar kleinere, die leichter zu benutzen sind, nämlich Struktur, Funktion, Prozess, damit sind die Anordnungen, Nutzungsformen und Vorgänge im Raum gemeint, von denen schon die Rede war. Das ist gewissermaßen eine „Gleitsichtbrille“: drei Sehschärfen auf einmal! Außerdem kann man geographische Entwicklungen auf verschiedenen Zeithorizonten (kurz-, mittel-, langfristig in Vergangenheit und Zukunft) und Maßstabsebenen (lokal, regional, national, global) betrachten. Klingt kompliziert – aber wir machen ja nicht alles auf einmal! Die animierte Bevölkerungspyramide von Deutschland könnte man mit diesen „Brillen“ übrigens näher untersuchen…
GIF: Urheber: Kaj Tallungs, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons URL Seite: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gemany_population_pyramid.gif
Für die ganz Wissbegierigen steigen wir noch etwas tiefer ein (wer nicht mag: Absatz einfach überspringen!): Man kann vier verschiedene Blicke auf jeden Raum werfen, also auf bestimmte Orte, Regionen, Länder. Erster Blick: Der Raum als Container. Da stellen wir uns die Frage: Was ist da alles drin? Wie viele Menschen leben da? Wo leben sie? Was tun sie? Wie sieht die Landschaft aus? Zweiter Blick: Der Raum als System von Lagebeziehungen. Das heißt: Wie steht dieser Raum mit anderen Räumen in Beziehung? Du selbst verbindest jeden Schultag zwei Räume: das Haus, in dem du lebst, mit der Schule, die du besuchst. Auch wenn du etwas kaufst oder isst, verbindest du den Ort, wo das Produkt hergestellt wurde, mit dem Ort, wo du es konsumierst. Container und Lagebeziehungen kann man gut messen: Sie sind objektiv. Die nächsten beiden sind subjektiv. Dritter Blick: Raum als Kategorie der Wahrnehmung. Verschiedene Menschen deuten Räume ganz unterschiedlich. Für manche ist der Abenteuerspielplatz der spannendste Ort der Welt, andere finden die historische Altstadt aufregender. Viele verbinden mit Afrika lediglich wilde Tiere und Natur, andere sehen auf diesem Kontinent mit über 50 Staaten und mehr als 2000 verschiedenen Sprachen eine riesige Vielfalt. Vierter Blick: der „gemachte“ Raum. Die Bilder, die von bestimmten Orten verbreitet werden, bestimmen unsere Vorstellung von ihnen. Wenn du ein Foto machst, entscheidest du auch, was darauf nicht zu sehen ist. Wenn du anderen das Bild zeigst, sehen sie deine ausgewählte Perspektive. Du hast den Raumeindruck „gemacht“, konstruiert. Über manche Gegenden haben wir ein einseitiges, unvollständiges Bild. Über die Gründe dafür können wir in Erdkunde nachdenken und unsere Vorstellungen erweitern.
Erdkunde an der Raabeschule
Das sind unsere Themen:
Klasse 5: Unser Planet Erde – Sich orientieren – Baustelle Erde: Die Erdoberfläche verändert sich – Wo und wie wir leben: Stadt und Land
Klasse 6 (epochal): Wirtschaften im städtischen Raum – Baustelle Erde: Erdbeben, Vulkane, Tsunamis
Klasse 7: Leben in verschiedenen Klima- und Vegetationszonen – Weltmeere: Nutzung und Gefährdung
Klasse 8 (epochal): Die Stadt: Entwicklung, Modelle, Visionen – Städte in anderen Kulturräumen
Klasse 9: Ungleichheiten in Deutschland und Europa – USA: Einheit in Vielfalt? – China/Indien: Bevölkerungsgiganten
Klasse 10 (epochal): Eine Welt? Geteilte Welt? – Globalisierung und globale Herausforderungen – Erderwärmung
Klasse 11 (einstündig): Nachhaltigkeit in Raumnutzung und Raumentwicklung – Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung von Räumen
Qualifikationsphase (als Leistungskurs wählbar): Raumprägende Faktoren und raumverändernde Prozesse – Bedeutungswandel von Räumen – Ressourcennutzung und nachhaltige Entwicklung – Siedlungsentwicklung und Raumordnung (jährlich wechselnde Raummodule)
Diese Kompetenzbereiche fördern wir:
Fachwissen: Wir lernen, Räume verschiedener Art und Größe zu erfassen und Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Umwelt zu untersuchen.
Räumliche Orientierung: Wir lernen, sich in Räumen zu orientieren – auf Karten, aber auch in der Wirklichkeit.
Erkenntnisgewinnung durch Methoden: Wir lernen, wie man zu geographischen Erkenntnissen gelangt – durch das Auswerten von vielfältigen Materialien und eigenen Beobachtungen auf Exkursionen und durch Experimente.
Kommunikation: Wir lernen, geografische Sachverhalte zu verstehen und uns sachgerecht darüber auszutauschen.
Beurteilen und Bewerten: Wir lernen räumliche Sachverhalte und problematische Entwicklungen zu beurteilen und Lösungsansätze zu entwickeln.
Als digitale Schule nutzen wir die Möglichkeiten, die uns die Tablets bieten: Wir erstellen Klimadiagramme mit Excel, erkunden ferne Städte und Landschaften in virtuellen Exkursionen, beschaffen uns aktuelle Daten, werten Animationen und Lehrfilme im eigenen Arbeitstempo aus, erstellen gemeinsam informative und anschauliche Präsentationen und vieles mehr.
Link-Tipps
Veränderungen auf der Erde im Zeitraffer: https://earthengine.google.com/timelapse/
Verzerrungen auf Karten entlarven – Ländergrößen vergleichen: https://thetruesize.com/
Verband Deutscher Schulgeographen e.V. – Aktuelles aus der Community der Ek-Lehrkräfte: https://vdsg-ni.info/
Text: Sebastian Toepfer (2022)